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24. Mai 2023 / Ralf Koss

Igal Avidan liest in DU-Obermarxloh – Berichte vom gelingenden jüdisch-arabischen Zusammenleben

Foto: Ruthe Zuntz

Seit 1990 arbeitet der 1962 geborene Igal Avidan als Nahostexperte für israelische sowie deutsche Zeitungen und Hörfunksender. In seinem neuen Buch schreibt der in Berlin lebende israelische Autor über das gelingende Zusammenleben von Arabern und Juden.

Im Gegensatz zu üblichen Fernsehbildern und Zeitungsberichten vom konfliktbeladenen jüdisch-arabischen Verhältnis kennt Igal Avidan die Hoffnung gebenden Geschichten aus einer bewegten Gesellschaft, in der Juden und Araber längst ein Zusammenleben gefunden haben, das den Vorstel­lungen von ewigem Hass nicht entspricht. Politiker auf beiden Seiten haben allerdings ein Interesse am Fortbestehen dieser Bilder, die die öffentliche Wahrnehmung bestimmen. Eine friedliche und zugleich brüchige Co-Existenz auf dem Vulkan – davon erfährt man in Igal Avidans ­Reportagen aus dem Alltagsleben in Israel. Gewaltsame Übergriffe sind zwar an der Tagesordnung, gegenseitige Hilfe, Solidarität, Nachbar- und Freund­schaft aber auch.

Ich freue mich sehr auf die Moderation dieser Lesung, die der Förderverein des Jugendzentrums, Lemonhaus e.V., in Kooperation mit Jungs e. V. ermöglichen konnte. Ich will nicht verschweigen, dass ich als Vorsitzender von Lemonhaus e.V. pro domo spreche. Ich empfinde das Jugendzentrum Zitrone als Ort für die Lesung deshalb so geeignet, weil sich diese Abendveranstaltung einreiht in die tägliche Bildungsarbeit dort gegen Antisemitismus und weitere Diskriminierungsformen.

Im Obermarxloher Jugendzentrum weiß man schon lange, dass der immer offener gelebte Antisemitismus der Gegenwart sich aus mehr Quellen als in früheren Zeiten speist. Dort kennt man die Lebenswelten von jungen Menschen aus den unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft. Man weiß, die bei manchen Jugendlichen oft durch den Nahost-Konflikt bestimmten Erzählungen dürfen nicht ignoriert oder ausgeblendet werden. Man muss sich mit ihnen auseinander setzen und andere Perspektiven der Bildungsarbeit entwickeln. Dabei ist es für alle hier lebenden Menschen wichtig, den Blick zu weiten. So werden auch mit einer solchen Lesung notwendige andere Wege beschritten, um ein humanistisches Zusammenleben in unserer heutigen diversen Gesellschaft zu festigen.

Ort: Jugendzentrum Zitrone, Kalthoffstraße 73, 47166 Duisburg-Obermarxloh
Zeit: Donnerstag, den 1. Juni 2023, 18 Uhr, Einlass ab 17.30 Uhr
Eintritt frei. Über Spenden im Hut freuen wir uns.
Anmeldung möglich unter: zitrone@jz.duisburg.de

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3. Mai 2023 / Ralf Koss

Literatouren zu Wasser – Die Lesung in den vergessenen Häfen

Rundfahrten durch die Duisburger Häfen habe ich in meinem Leben schon viele gemacht. Bislang habe ich dabei noch nicht aus meinen Texten gelesen. Das wird am Freitag anders. Noor Roelofs, Thomas Frahm und ich bestreiten den literarischen Part eines mulitkulturellen Geschehens. Für die musikalischen Intermezzi sorgt die ukrainische Sängerin und Musikerin Marie Hellstein.

In der Programmankündigung liest sich das so:

Bei der literarischen Schiffsfahrt kommen Autorinnen und Autoren zu Wort, die diesen Wandel ihr ganzes Leben mitgemacht haben. Noor Roelofs aus Nijmegen greift in ihren Gedichten auf, an welchen Merkmalen in der Natur der Klimawandel abzulesen ist. Ob in lyrischen Überlegungen zur Meinungsbildung und Migration oder in einem Prosatext über einen unmöglich gewordenen Geburtstagsblumenstrauß, Ralf Koss findet im eigenen Erleben die Folgen des Klimawandels. Thomas Frahm spürt dem Zusammenhang von Klima, Wirtschaft und dem widersprüchlichen Verhalten der Menschen nach, die dazu neigen, die Schuld bequem bei anderen zu suchen.

Stadt Duisburg

Ab 17.30 Uhr wird eingeschifft. Abfahrt um 18 Uhr.Die wetterfesten Plätze sind bereits ausgebucht. Aber wenn es am Freitag nicht regnet, bleibt immer noch die Möglichkeit spontan mitzufahren. Karten zu 24 Euro, ermäßigt 12 Euro sind weiter vorhanden.

3. April 2023 / Ralf Koss

TV-Gespräch zum neuen Romanprojekt

Vor der Lesung im Rahmen der 44. Duisburger Akzente war ich letzte Woche zum Studiogespräch bei Duisburger Lokalfernsehen Studio 47. Wir sprachen über die Arbeit an meinem Roman über die Folgen von Alkoholismus in Familien.

3. April 2023 / Ralf Koss

Zwei Ruhrgebietsromane von Ralph Hammerthaler

Roman, so steht es im Titel des jüngsten Buches von Ralph Hammerthaler. Muss man von diesem Buch mehr wissen als den Titel? Wenn man sich für Subkulturen im Fußball interessiert, wahrscheinlich nicht. Wenn man sehr konkrete Vortellungen von in Romanen erzählten handlungsreichen Geschichten hat vielleicht doch. Meint Roman in dem Fall doch weniger eine in sich geschlossene Erzählung mit langem Spannungsbogen als eine biografische Skizze zur Hauptfigur, die aus vielen kleinen, gleichgewichtigen Szenen besteht.

In Duisburg könnte das Buch durch zusätzliches Wissen weitere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Til ist nämlich Anhänger des MSV. Er lebt in Meiderich, arbeitet in Düsseldorf und spielte als Torwart ambitioniert in der Jugend der Zebras, ohne sich beim Übergang in den Seniorenbereich durchsetzen zu können. Auch der Umweg über die Amateure beim MSV blieb verschlossen. Stattdessen ging er zu Adler Osterfeld in der Verbandsliga. Sein Ehrgeiz war dahin. Der verlagerte sich schließlich zu dem einen speziellen Kampfsport. Eine Schlägerei in einer Diskothek führte ihn über die Türsteherszene in die in Teilen identische Hooliganszene. So ein daneben recht normales Leben mit geregeltem Berufsalltag und Freundin, kennt die Welt aus vielen Hooligan-Biografien Westdeutschlands.

Ralph Hammerthaler gibt einen tiefen biografischen Einblick in den Werdegang eines Mannes von etwa 40 Jahren aus dem Ruhrgebiet. Er erzählt von Zufällen auf dem Lebensweg, von Hoffnungen und Sehnsüchten, von Konflikten mit der Ursprungsfamilie, vom dennoch vorhandenen, zwiespältigen Zusammenhalt dort. Vor allem erzählt er immer wieder von der Anerkennung und dem intensiven Gefühl der Zugehörigkeit, die die Hooliganszene diesem Mann bot und bietet. Von Geborgenheit zu sprechen, verbietet sich eigentlich angesichts der erlittenen Verletzungen durch Kämpfe und der schließlich eintretenden größten Gefahr, der Til begegnet. Nicht zuletzt auch, weil in der gezeigten Männerwelt offen angesprochene Gefühle nur in begrenzten Ausschnitten erlaubt sind. Dennoch kam mir dieses Wort in den Sinn.

Das liegt auch an Ralph Hammerthalers literarischen Fähigkeiten. Er macht Menschen in ihrem sehr indivuellen Alltag verstehbar und hält deren grundlegende Bedürfnisse durch den erzählerischen Zusammenhang wach. Die Romanfigur Til kennen seine Leser schon aus seinem Ruhrgebietsroman „Die fünfte Nacht“. Dort trat er als Nebenfigur auf. Er gehörte zu einem durch eine feindliche Liebe verbundenem Bruderpaar, das der Held des Romans, ein Straßenbahnfahrer der DVG, während seiner Fahrten kennenlernte. Auch in diesem in großen Teilen in Oberhausen spielenden Roman fängt Ralph Hammerthaler ganz unspektakulär den Alltag des westlichen Ruhrgebiets ein. Weil er in diesem Roman sehr viel mehr Personen näher betrachtet, wird die Geschichte eine Art gesellschaftliche Panoptikum. Nicht die Biografien seiner Figuren interessieren ihn hier besonders, sondern deren Zusammenwirken als Stadtgesellschaft. Nicht die Vergangenheit ist wichtig in diesem Roman, sondern die Gegenwart des Ruhrgebiets.

Straßenbahnfahrer sind selten Hauptfiguren in einem Roman der Gegenwart. Schon diese Besonderheit macht neugierig auf das Buch. Einige Wochen aus seinem sehr alltäglichen Leben reichen für eine eindrucksvolle Erzählung. Dazu braucht es keine Handlung voller Wendungen. Denn Ralph Hammerthaler erfasst und beschreibt die Menschen dieses westlichen Ruhrgebiets sehr genau und mit viel Sympathie für jedes einzelne geschilderte Leben.

Das Schicksal des Ruhrgebiets brachte es mit sich, dass immer wieder von überall her aus Deutschland Menschen für einige Zeit in diese Städtelandschaft reisten, um sich eine Meinung zu erlauben. Manche glaubten dann, wahrhaftige Geschichten über die hier lebenden Menschen schreiben zu können. Meist hatten sie die Menschen nicht verstanden, geschweige denn ein Gespür für ihre Sprache entwickelt.

Dem in Berlin lebenden und in Bayern aufgewachsenen Ralph Hammerthaler dagegen gelingt beides auf beeindruckende Weise. Man hört das Ruhrgebiet in den Dialogen sprechen. Man sieht seine Figuren lebendig vor sich. Noch im kleinen Detail ihres Alltags nimmt Ralph Hammerthaler seine Figuren ernst. „Die fünfte Nacht“ lässt seine literarische Qualität deutlicher erkennen als sein „Kurzer Roman über Hooligan Til“. Auch wenn ein Leserkommentar bei Amazon zum „Til“ bestätigt, so begegner er „Til“ seit Jahren. Denn hinter allen Figuren in Ralph Hammerthalers zwei Ruhrgebiets-Romanen verbergen sich wirkliche Menschen. Er leiht sich ihre Geschichten aus, um etwas Eigenes zu erzählen. Ralph Hammerthalter schreibt besondere Geschichten über Menschen, die im Kulturbetrieb meist wenig Aufmerksamkeit erhalten.

Ralph Hammerthaler
Kurzer Roman über Hooligan Til
Quintus Verlag
Hardcover
119 Seiten

20,00 €

Ralph Hammerthaler
Die fünfte Nacht
Quintus Verlag
Hardcover
304 Seiten

24,00 €

21. März 2023 / Ralf Koss

How to date a feminist am Theater Duisburg

Anlässlich der Duisburger Akzente hatte am Theater der Stadt „How to date a feminist“ Premiere. Das komödiantische Stück zeigt Geschlechterverhältnisse und daraus entstehende Verwirrungen. Der eine liebt die eine, die aber liebt einen anderen. Das ist eine alte Geschichte und die lässt sich immer wieder neu erählen. Allerdings meint die Autorin Samantha Ellis, so ein Happy End funktioniert weiterhin am besten in der traditionellen Zweierbeziehung. Das überrascht angesichts des Premierenjahres 2016 in London. Ein bisschen mehr Fantasie hätte ich mir zum Ende hin gewünscht.

Andererseits spielt das Stück nicht in der Gegenwart, sondern um die Jahrtausendwende. Denn die Hauptfigur Steve ist während der 1970er Jahre in einem Protestcamp gegen die Stationierung von Atomraketen aufgewachsen. Nun mag er Ende 20 sein und möchte als Sohn einer Feministin, wenn er einer Frau begegnet, in jeglichem Moment einvernehmliches Handeln sicherstellen. Auf einer Party begegnet er Kate, die Zeit ihres Lebens sich nur von „Mistkerlen“ angezogen fühlte.

Wenn verschiedene Wirklichkeiten aufeinander prallen, liegt Komik nahe, Verwicklungen auch. Der Weg zum Happy End der Ehe mit der offenen Zukunft dauert etwa 110 Minuten. Eva Zitta hat das Bühnenstück in einem kargen Raum rasant inszeniert. Dass Katharina Abel und Robin Berenz sämtliche Rollen dieses Abends ausfüllen, ist nicht nur ein besonderer Clou der Inszenierung. Die Autorin selbst hat das angelegt. So ist jeder Kostümwechsel auf der Bühne ein Moment in alter Brechtscher Manier, der auch bewusst macht, wie in einer Person sich sehr ambivalente Rollenerwartungen vereinen könnten.

Katharina Abel und Robin Berenz verleihen ihren drei Figuren unterschiedlichen Alters und Persönlichkeit eigene Präsenz. Ihre darstellerische Leistung beeindruckt. Der unterhaltsame Abend begeisterte das Publikum. Klare Empfehlung, sich „How to date a feminist“ am Theater Duisburg anzusehen. Weitere Vorstellungen noch bis Juni.

23. Januar 2023 / Ralf Koss

Begeisternde zwei Herren von Real Madrid am Theater Oberhausen

Der grüne Bühnenboden verweist auf den Rasen der Fußballplätze. Zudem sitzt das Publikum wie auf einer Sitzplatztribüne an der lang gestreckten Spielfläche. Fünf Nischen als stilisierte Handlungsorte wirken wie Seitenaltäre in einer Kirche. Während das Publikum Platz nimmt, warten in drei der Nischen die Schauspielerinnen und Schauspieler statuengleich auf den Einsatz. Fußball als Religionsersatz – diese Assoziation liegt nahe. Am Ende wissen wir, das war leicht dahingetupft, denn das Stück selbst vertieft solche Deutungen des Fußballs nicht. Vielmehr deutet sich damit an, wie umfassend die Wirklichkeit des Fußballs am Theater Oberhausen auf allen gestalterischen Ebenen künstlerisch anverwandelt wird. Die Uraufführung des Theaterstücks von Leo Meier „Die zwei Herren von Real Madrid“ beginnt. Es wird ein unterhaltsamer Abend, voller Spielfreude und Komik, inszeniert und ausgestattet mit viel Liebe zum Detail.

Der Anfang: Zwei Männer begegnen sich in einem Wald. Der eine flitscht Steine. Eine absurd surreale Welt entfaltete sich. In dieser Welt stellen die Männer ohne weiteres Erstaunen fest, sie spielen als Fußballprofis in derselben Mannschaft. Sie gehören zu den Topspielern bei Real Madrid. Realismus zeigt sich anderes, ein atmosphärischer Ton ist gesetzt, der in der förmlichen Sprache ihrer Unterhaltung sich fortsetzt. Sie bleiben beim Sie, obgleich die gegenseitige Anziehung, das Begehren im Spiel der beiden Schauspieler sofort miterzählt wird.

Foto: Axel J. Scherer

Tim Weckenbrock und Khalil Fahed Aassy spielen die zwei Herren mit wunderbarem Gespür für die Komik von klischierten Fußballergesten, ohne die Figuren als Karrikaturen zu verraten. Diese zwei Herren sind mehr als komisch, sie berühren mit ihrer Sehnsucht nach Liebe, mit ihrer Scheu, sich zu öffnen, mit ihren Versuchen, sich trotz Schüchternheit stark zu geben.

Foto: Axel J. Scherer

Leo Meier greift für die Dialoge dieser zwei Herren den Sound des Fußballbetriebs auf und erschafft ein eigentümlich poetisches, oft zärtliches Sprechen. Währenddessen hängt Elias Baumann als Jesus am Kreuz und macht sich beim Szenenwechsel pantomimisch bemerkbar. Überhaupt gehören zur wunderbaren Inszenierung von Maike Bouschen tänzerische Elemente. Das Körperliche des Sports Fußball findet sich im schauspielerischen Ausdruck auch immer wieder.

Die Annäherung der beiden Herren führt bald ins Elternhaus des einen. Samia Dauenhauer und Franziska Roth als Eltern lassen nicht nur in der ersten von drei ihrer Nebenrollen der komödiantischen Lust am Spiel freien Lauf. Gleichzeitig macht sich in der absurd-surrealen Welt das Utopische zum ersten Mal leise bemerkbar. Ganz selbstverständlich ermuntert die Mutter augenzwinkernd ihren Sohn, sich zu der anbahnenden Liebe zu bekennen. Auch das Unglück kommt als absurde Note mit dem tödlichen Allergieschock der Mutter durch den mitgebrachten Kuchen vom Spielerkollegen des Sohns. Im Spiegel der Beerdigung wird das Leben mit der vereinten Liebe beider Fußballer gefeiert. So kann sich das Utopische mit Wucht zurückmelden, als Elias Baumann, nun als Real-Star Sergio Ramos, beim gemeinsamen Training das nun öffentlich bekannte Paar gelassen als gewöhnliche Neuigkeit betrachtet. Der Fußball ohne Homophobie, was für eine Zukunft. Die ironische Botschaft dabei lautet, selbst ein Mann alten Schlages, ein überaus hart spielender Innenverteidiger, achtet in dieser Welt alle Menschen gleich – egal, wen sie lieben.

In letzten Wendungen des Stücks macht sich bei aller Surrealität die wirkliche Fußballwelt deutlicher bemerkbar. Vereinswechsel sind auch für Stars die Regel und damit ergeben sich Trennungen auch für die besagten zwei Herren. Wie schwer das fällt, bleibt offen. Der Premierenapplaus wollte kein Ende nehmen. Zurecht. „Die zwei Männer von Real Madrid“ begeistert.

Foto: Axel J. Scherer

Im wirklichen Fußball hieße das Resümee, ein solcher Erfolg gelingt dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung und durch die hervorragende Arbeit sämtlicher Teile des Vereins. Wer so auftritt, darf den Blick auch auf die Plätze ganz oben in der Tabelle richten.

Weitere Termine

21. Oktober 2022 / Ralf Koss

Buchmesse, Halle 3.0 – Mittwoch, 19.30 Uhr

Auch Sprache möchte ihren Feierabend. Oder: Wenn alle gegangen sind, kommt die Wahrheit ans Licht. Der Duden Verlag misstraut dem eigenen Markenclaim. Irgendwas sagt auch ein Flatterband. Gelegenheit, der contradictio in adiecto still zu gedenken.

13. Oktober 2022 / Ralf Koss

Duisburg-Trilogie von Fakir Baykurt endlich vollständig übersetzt

Eva Lacour und Hartwig Mau

2011 erschien „Halbes Brot“, der erste übersetzte Roman von dreien, in denen Fakir Baykurt (1929 – 1999) in den 1980er Jahren von der Lebenswelt Duisburgs erzählte. Am Dienstag nun wurden mit „Vater Rhein“ und „Hochöfen“, die zwei weiteren seiner in Duisburg spielenden Romane, in der Stadtbibliothek Duisburg im Rahmen einer Lesung durch die Übersetzerin Eva Lacour und den Übersetzer Hartwig Mau vorgestellt.

Der in der Provinz Burdur aufgewachsene Fakir Baykurt war schon in der Türkei als Schriftsteller erfolgreich gewesen, als er 1979 mit einem Stipendium nach Deutschland kam. Er schrieb realistische Romane über die bäuerliche Wirklichkeit seines Heimatlandes und erhielt Literaturpreise. Sein literarischer Stil wurde durch die mündlichen Erzähltradtionen der Landbevölkerung bestimmt. Sein realistischer Blick auf Menschen und Verhältnisse machte seine Literatur zur Sozialkritik.

Wahrscheinlich führte auch der Militärputsch in der Türkei 1980 dazu, dass der politisch engagierte Fakir Baykurt in Deutschland blieb. Statt mit dem bäuerlichen Leben beschäftigte er sich nun dauerhaft mit der Wirklichkeit der Migranten als Industriearbeiter. Doch Fakir Baykurt blickte über das Migranten-Milieu hinaus. Mit seinem Personal erzählte er allgemeine Geschichten über die Ruhrgebietswelt mit ihren Menschen aus verschiedenen Herkünften. Er nahm die Erzählhaltung jener deutschen Autorinnen und Autoren der Gegenwart vorweg, deren Großeltern oder Eltern aus der Türkei gekommen waren. Fakir Baykurt empfand sich als zugehörig zur deutschen Gesellschaft. Er beschrieb nicht von außen, sondern erzählte aus ihrem Inneren heraus. Institutionen und öffentliche Personen Duisburgs in den 80ern tauchen ebenso auf wie historische Erklärungen für Teilgeschehen der Romane. Für Fakir Baykurt war das migrantische Milieu Teil der Stadtgesellschaft. Es gehörte dazu. Seine Romane zeigen mit einem sozialkritischen Realismus ein Ruhrgebiet, das es in den 1980er Jahren im Literaturbetrieb schwer hatte. Diese Literatur, auch von deutschen Autoren geschrieben, wurde von der Kritik kaum wahrgenommen, geschweige denn öffentlich wertgeschätzt. Der bundesweite Erfolg Max von der Grüns in den Jahren davor war nur die Ausnahme von der Regel.

Wer heute die drei Romane von Fakir Baykurt liest, lernt Duisburger Wirklichkeit detailreich kennen. Diese Stadt steht aber stellvertretend für sämtliche Großstädte Deutschlands mit migrantischer Kultur. Fakir Baykurt erzählt von Rassismus ebenso wie von der Umweltverschmutzung durch die Industrie und den schlechten Arbeitsbedingungen dort. Er erzählt aber auch von gelingenden Begegnungen zwischen den Kulturen, von Irrtümern und Annäherungen. Fakir Baykurt muss bei aller Kritik an den Verhältnissen seiner Gegenwart ein optimistischer Mensch gewesen sein. In seinen Geschichten folgen Figuren oft einem kulturübergreifenden Humanismus. Gelingendes Zusammenleben in Verschiedenheit gibt es in seinen Romanen, ohne dass er ein träumerischer Idealist gewesen wäre. Er kennt hemmende Befindlichkeiten ebenso wie die um des lieben Friedens Willen verschwiegenen Vorurteile.

Die „Duisburg-Trilogie“ von Fakir Baykurt – das lässt sich leicht merken, um in Buchhandlungen danach zu fragen. Die Trilogie kostet nur 50 Euro. Dem Verlag Dialog-Edition sei viel Nachfrage gewünscht. Das große Publikum am Dienstag bei der Veranstaltung vom Verein für Literatur Duisburg bewies, wie tief Fakir Baykurt sowohl in die türkische Comunitiy als auch in die Mehrheitsgesellschaft Duisburgs hinein gewirkt hat. Seine Romane gehören in den Kanon einer Literatur des Ruhrgebiets.

5. Oktober 2022 / Ralf Koss

Jetzt im Buchhandel: Duisburg auf den zweiten Blick

Zwischen März und Juni war der Martin Wedau in mir wieder gefragt. Ihn – und mich nicht weniger – beschäftigte der sprichwörtliche zweite Blick, in dem Fall auf Duisburg.

Ich wollte übersehene Details im Bekannten entdecken und mich in den weniger besuchten Ecken der Stadt umschauen. Ich fragte Duisburger nach Orten, denen sie mehr Aufmerksamkeit wünschten. Ich spazierte mit einem anderen Bewusstsein durch die Stadt. All das führte zu interessanten Geschichten und manchem auch mir neuen historischen Wissen über Duisburg.

Nun ist das Buch erschienen. Die Fotos geben einen ersten Eindruck.

Martin Wedau
Duisburg auf den zweiten Blick. Der besondere Stadtführer zu den verborgenen Schätzen.
Taschenbuch, ‏ 160 Seiten
ISBN: ‎ ‎ 978-3837524680
€ 18,95

26. September 2022 / Ralf Koss

Bundesliga, ich komm‘ aus dir – Lesung MSV Fußballfibel Bissingheim

Bundesliga,
ich komm‘ aus dir

Geschichten aus einem Leben als Fan

Donnerstag, den 29. September, im Zum Hocker, Vor dem Tore 76 , in Bissingheim. Eintritt frei.

Hier der Link zur Veranstaltungsankündigung bei Facebook.

Die Programmankündigung sieht so aus:

Fans des MSV Duisburg gehen zu Fußballspielen mit dem aufregendsten Klub Deutschlands. Was ein Datenspezialist mit komplizierter Formel errechnete, weiß der Schriftsteller Ralf Koss seit jeher. Die Dauerkarte kennt er noch als Abrissblock während der 1970er Jahre. Damals hielt er die Zebras als Teilnehmer im UEFA-Pokal für unabsteigbar. Er feierte die Erfolge vom Lienen- und Funkel-Fußball der 90er ebenso, wie er später skeptisch auf das Wirken von Walter Hellmich schaute. Seit 2008 schreibt er als Kees Jaratz den renommierten Zebrastreifenblog. Nun erzählt er in der „Fußballfibel MSV Duisburg“ die berührende, oft komische und tief emotionale Geschichte seines Lebens mit dem Herzensverein. Dabei gewinnen Duisburg und das Ruhrgebiet Kontur. Ein Fußballbuch, das zum Portrait der Region wird.

Eine Veranstaltung im Rahmen des Sonderprogramms Aufgeschlagen! des Landes Nordrhein-Westfalen

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